Samstag, 8. Oktober 2011

Hallo, aus der Stadt der Liebe - oder der Stadt der tausend Möglichkeiten

Bonjour aus Paris!
es sind nun schon einige Tage her, seitdem ich das schöne Freiburg gegen die Riesenmetropole und Weltstadt Paris, für die Zeit bis März 2012, getauscht habe. Und bisher habe ich es noch nicht bereut.
Die Zeit vor der Abreise war vollgestopft mit Arbeit für Uni, den Parisaufenthalt und der Kin­derbetreuung an der Uniklinik, welche mit einer tollen Zirkusaufführung an einem heißen Tag beendet wurde. Seit dem 28. August habe ich mich wie­dermal bei Ebse und Ingrid eingenistet, weil ich mein WG - Zimmer für die Pariszeit zwi­schenvermietet habe. Alle Habseligkeiten warten seit­her dort wie Tetriselemente im großen Einbauschrank. Alles Andere habe ich rausgeschmissen oder umgezogen. Es war ganz schön schwie­rig zu entscheiden, was mitkommt nah Paris und was nicht. Zum Glück hat mir Lena beim aussortieren ge­holfen. Mein Kopf war im August eindeutig überlastet und die Aufregung hat einiges an Geduld mit mir selber betäubt.
Schön war jedenfalls die Zeit bei Ebse und Ingrid und den zwei Jungs. Da wurde mir doch viel abgenommen und ich hatte ein sicheres Gefühl, weil man das bei Fa­milie ja doch immer hat! Die letzten Tage wurden somit für mich zu einem unvorstellbar großer Wert! Und die Jungs haben auch dazu beigetragen, dass die Aufmerk­samkeit auf andere Dinge gerichtet wurden. Deshalb war es am Dienstagabend den 6.September 2011 unvorstellbar, dass es am folgenden Tag losgehen sollte!
Mit 51 Kilo Gepäck (Ebse hats gewogen) verteilt auf einen Koffer, Papas Weltreiserucksack und meine Laptoptasche wurde ich am Mittwochmorgen von den Schnepfmänner an den HBahnhof Freiburg gefahren. Wie soll ich das mit dem Gepäck in Paris alleine machen?
Die ersten Tränen kamen, als ich Marleen am Gleis verabschie­det habe und der Zug dann tatsächlich abgefahren ist. Über Mitfahrgelegenheit.de konnte ich mit zwei Reisenden fahren. Toll war, dass einer davon von seinem Abschied damals er­zählt hat (1 Jahr Boston) und eine Mitfahrerin kam gerade erst vor 6 Wochen von einem einjähringen Aupair Aufenthalt in Paris zurück. Sie hat mir sogleich ihre letzten Metrokarten ge­schenkt. Ihr könnt euch vorstellen, dass wir die zwei Stunden bis Karlsruhe über der Stadtkarte von Paris die Köpfe zusammen gesteckt haben. Ganz ehrlich - in Freiburg hatte ich nicht wirklich Zeit mich damit zu beschäftigen. Diese Begegnung war das größte Glück! Die Aufregung hat sich in dieser Zeit in eine ausschließliche Vorfreude umgewandelt. Alle Angst war weg!
In Karlsruhe wurde ich von Lena empfangen und auch Mario, mein Mitreisender und ERASMUS Mitstreiter, kam vom Allgäu aus angefahren, um in den TGV nach Paris einzusteigen. Eine letzte dicke heiße Schokolade zur Beruhigung mit der lieben Lena war so gut fürs Herz und die Seele. Schön, dass das so geklappt hat, und dass du, Lena, tapfer mit zum Gleis gekommen bist und ge­wunken hast bis der Zug abgefahren war! =) 
 
16:45 Gare de L‘Est: Hallo Paris. Mario und ich lassen die Eindrücke wirken. Die Architektur, die Menschen, die Luft. Wir schnappen die ersten französischen Wortfetzen auf. Endlich sind wir da! Da sich die Wohnungssuche von Deutschland aus als äußerst schwierig gestaltet hat, waren wir unheimlich Dankbar über einen weiteren, glücklichen Zufall: meine Kollegin Lisa, mit welcher ich die Kinderbetreuung gestemmt habe, hat eine Schwester, die wiederum mit einem Franzosen liiert ist, welcher ein Zimmer in Paris hat und über genau den Zeitrahmen vom 7. September bis zum 19. September im Urlaub war. Somit hatten Mario und ich für die ersten 10 Tage ein Bett und eine Dusche!
Das Zimmer, mit einer Größe von 9qm2, inklusive Dusche und Küchenelement, befindet sich im 2. Arrondissement von Paris, direkt bei der Oper. UND: im 7.Stock des Hintergebäudes - ohne Aufzug! (51 Kilo Gepäck!!!) Wir hatten einen Spaß!
Da es der Platz nicht hergibt gemütlich zu verweilen, laufen Mario und ich los, um die Straßen der Stadt mit unseres Fußabdrücken zu bemalen.
Wir bestaunen die Oper, passen die Nobelgeschäf­te am Place Vendôme ab und halten stetig Ausschau nach einem Supermarkt um klassisch Baguette und Käse und Wein zu kaufen.
Gar nicht so einfach hier. Doch wir werden fündig und genießen unser erstes französisches Essen im Park vor dem Louvre. Die Sonne schenkt uns ein zauberhaftes Licht und taucht die Stadt in abendliche Rosatöne. Alles ist gut. Dass wir den ersten Moment ausgerechnet hier verbringen war nicht geplant, verstärkt aber die Wirklichkeit, angekommen zu sein.
Wir verschlendern den restlichen Abend. Genießen eine Weile die Stimmung an der Seine. Es scheint, als sei die Stadt bei Nacht in Gold gehüllt. Alles strahlt. ich wahr­scheinlich auch.

Wer behauptet, Paris sei ausschließlich teuer, irrt. Wir frühstücken beim MacDonalds. Hier gibts super leckeren Café und auch Pain au chocolat! Für Deutschlandpreise. Und - Internetzugang gratis! Mario und ich machen dort morgendlich unseren Tagesplan.
Zimmersuche Tag 1: Wir suchen eine evangelische Ge­meinde, die wir nicht finden. Dafür landen wir in der Kir­che La Trinité, weil es regnet. Schön, dann verbinden wir eben Tourismus mit Alltagproblem. Der Regen drückt mein Gemüt. Wie soll ich hier vorwärts kommen? Wie soll ich anfangen? Dass wir die Gemeinde nicht finden ist ein schlechter Start! Wo steht bitte mein Retter, der mich zu meinem tollen, sauberen Zimmer führt und mir auch noch mein Gepäck hinterher trägt? Und warum sitzt ei­gentlich kein Männchen in meinem Kopf und flüstert mir diese Vokabeln zu, die mir nicht einfallen?
Später finden wir zumindest das Goe­theinstitut, in welchem wir diverse Wohnungsanzeigen heraussuchen und die ersten Telefonate führen. Ich bin platt. Alles überrennt mich. Die Stadt, die Sprache, das Wohnprob­lem. zum Glück ist Mario ein super Kerl und macht so alles mit. Auch meine Launen. Er überrascht mich mit einem Automatencafé und die Welt rückt wieder in eine etwaige Ordnung. Dass wir uns eigentlich kaum kennen, die Zeit aber doch ziemlich eng beieinander verbringen, war zunächst spannend. Doch wir arrangieren uns su­per. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie klein das Zimmer ist. Inclusive unserem Gepäck!
Wir richten uns französische Handynummern ein und verstehen auch langsam das Metrosystem.
Die letze Station für Tag eins ist das katholische Mädchenwohnheim, La Porta. Das hatte ich schon von Deutschland aus angefragt und noch keine Antwort erhalten, also bin ich einfach - zusammen mit dem Mario- dorthin. Glücklicherweise ist das eine Deutsch-Französische Einrichtung, sodass ich mich verständigen kann und super lieb in Empfang genommen werde. Sehe ich so verzweifelt aus? Die Koordinatorin kann sich an meine email erinnern, hat jedoch keine Zimmer mehr frei. Dafür gibt sie mir viele Adressen weiterer Wohnheime und auch eine Adresse einer deutschen Familie, die ein Zimmer gegen Arbeit zu vergeben hat.
Die Handtasche voller Zukunftsabsichten, und das Herz erfüllt mit Pariser Gastfreundschaft, be­enden Mario und ich den doch vollen Tag vor dem Laptop. Zum Glück kann man heute Filme auf Festplatten speichern. Da Vinci Code. Schauplatz: Louvre - dort, wo wir gestern gesessen sind!
Tag zwei beginnt wieder im MC. Ich rufe die deutsche Familie R*** an und verabrede mich sogleich für den Nachmittag.
So kann ich den Tag genießen. Wir besichtigen Marios Woh­nung am Vormittag. Schön, dass auch er eine positive Entwick­lung seiner Suche verzeichnen kann. Später laufen wir von der Oper zur Seine. Laden unterwegs unsere Handys auf. Alles, jede Begegnung, ist eine kleine sprachliche Überwindung und ein kleines, neues Abenteuer. Ich lasse ihn am Seineufer zurück und mein Herz hüpft, als ich über den Platz vor dem Loure, an den berühmten Pyramiden vorbei, eile - Meine Damen und Herren, ich bin kein Tourist, ich habe einen fast alltäglichen Termin, hier in Paris!

Der Eingangsbereich lässt mich klein erscheinen. Alles wirkt ein bisschen -edel. Und teuer. Wo bin ich hier gelandet?
Die Wohnung der R*** befindet sich in einem sehr gut erhaltenen, 100jährigen Haussmann -Haus, im Jugendstil erbaut. Fast filmreif. In einer rießengroßen, ganz in weiß gehaltenen Altbau­wohnung, mit Stuck und Spiegeln, im 6.Stock werde ich von vier Kindern erwartet. Aufs herz­lichste begrüßt sitzen wir auf antiken Sesseln und lernen uns kennen. Emmanuellé ist 12 Jahre alt und ihre Brüder Heinrich - Leopold 10, Maximilian 8 und Carl - Ludwig 6. Die große Schwester Carolin (14) befindet sich in diesem Jahr in England auf einer Internatsschule. Die Riehls wohnen seit 16 Jahren in Paris. Der Vater ist beruflich hierher gekommen. Die Situation ist ein Traum. Mir wird ein ehemaliges Dienstmädchenzimmer im 7.Stock angeboten. Äußerst sauber. Inclusive Dusche und Kochmöglichkeit. Die Gegenleistung beläuft sich auf 15 Stunden in der Woche. Dh. die Kinder von der Schule abholen, Hausuafgabenbetreuung, Abendessen, Küche,... Vorzustellen wie eine halbe Aupairstelle.
Für mich die unvorstellbare Situation: Familienanschluss in Paris. Wer, wenn nicht ich?
Super gelaunt treffe ich auf Mario. Morgen wird er seine Wohnung übernehmen können. Wir ge­hen ins Kino. Die Lage unserer Bleibe schreit gerade danach. Um die Oper herum gibts unzählige Kinos. Leider ist der Film auf Englisch, mit französi­schem Untertitel. Die Filme in Frankreich sind häufig nicht synchronisiert.

Es ist Samstag, Tag drei unserer Suche.
Wir befinden uns bei Marios Wohnungsübergabe als mein Handy klingelt und mir Mme R**** mitteilt, dass ich gerne bei ihnen wohnen könne. Wir verabreden den Umzug auf denselben Tag. So schnell findet man in Paris eine Bleibe. Super, dass ich Zimmer und Ar­beit in einem Rutsch gefunden habe!
Ich packe meine Sachen, und auch Mario wird noch am heutigen Tage in sein Quatier ziehen. Als Danke­schön hinterlassen wir ein sauberes Zimmer, Wein und Nudeln. Und pro Nacht, pro Kopf, die ausgemachten fünf Euro. (Jugendherrbergen die Nacht im Mehrbett­zimmer ab 25 Euro!)
Um vier Uhr werde ich vom Hausvater, den ich da­mit auch kennnenlerne, und dreien der Kinder mit dem Auto vor der Haustüre abgeholt. Die Boulevard d‘Italiens kann man sich vorstellen wie die Königs­traße, nur, dass reger Autoverkehr ist. Ich hätte jede unnötige Autobenutzung inclusive Parken auf dieser Straße vermieden! Von dort aus gehts ab ins 17. Arrondissement. Eine ruhige, sehr zentrale Wohngegend. Ich beziehe mein Zimmer, bekomme di­verse Instruktionen und werde dringlich dazu angehalten mich bei jeder Kleinigkeit zu melden, falls es etwas gäbe. Und selbstverständlich werde ich auch nachts um 4 Uhr an jeder Stelle abgeholt, wenn ich nicht mehr weg komme.
Außerdem gebe ich noch Wünsche bezüglich der Küchenausstattung ab und erhalte zwei Stunden später zwei Tragtüten voll neuer Elemente von Mme R****, die sie mir in der Zwischenzeit ge­kauft hat. Die Aupairs haben die Küche nicht gebraucht, weil sie mit und bei der Familie gegessen haben, deshalb ist das Zimmer nicht so ausgestattet, wie ich es brauche.
Angekommen. Durchatmen. Alleinesein.

Die Arbeit mit den Kindern macht Spaß und hat sich mittlerweile schon ein bisschen eingepen­delt.
Die Uni fängt erst am 3. Oktober an. Seitdem verbingen wir die Tage damit, die Stadt zu erkunden. Ricarda und Linda kommen ebenfalls aus Freiburg und Laura haben wir unterwegs irgendwann aufgegabelt. Sie studiert in Bonn, ist aber Berlinerin. Zu viert haben wir einen großen Spaß und ver­stehen uns alle sehr gut. Meistens treffen wir uns igrendwo gegen zwölf Uhr, machen bis 15Uhr Sightseeing. Danach gehe ich die Kinder von der Schule abholen. Und oft treffen wir uns gegen acht nochmal. Um Wein zu trinken. Und die Stadt zu genießen. Die Sonntage sind schön. Wenn die Pariser unterwegs sind. Und wir. Den letzten Sonntag haben wir mit einem ausgedehnten Stadt­spaziergang (Place de la Bastille, Marais, Louvre) verbracht. Mit Sonne, Eis und Straßenmusikern. Und mit Martini um 17 Uhr in einer tollen kleinen Bar mit Livemusik.
Wir hörten schon ein gran­dioses Konzert, Vivaldis vier Jahreszeiten, in der Kirche St. Madeleine. Wir haben vor dem Eiffelturm gepicknickt. Waren in Momartre in einer winzigen Crèperie. Natürlich im Louvre. Im l‘hôtel de Ville, in der Sait Cha­pelle, bei Notre Dame, Pantheon.....
Und natürlich an der Sorbonne. Hier darf ich wirklich studieren?
Der Bau ist eine architektonische Schönheit - für diejenigen wie mich, die diesen Baustoel eben lieben. Der Platz vor dem Haupteingang wimmelt von Menschen. Stu­denten und Touristen. Es gibt hier einen rein philosophischen Buchladen! Es sind so viele Bücher dort, das glaubt ihr gar nicht. Alles philosophische Werke, die das Herz eines Buchliebhabers höher schlagen lässt.  Mir wird hier drinnen ganz klar, wieviel ich nicht weis!
Ich freue mich aufs studieren. Wo Freiburg von Husserl und Heidegger, von den Phänomenologen,  geprägt ist und von der klassischen Antike, werde ich hier Kurse zur chinesischen und auch zur indischen Philosophie besuchen können und eine ganz neue Richtung kennen lernen. Und natürlich von Rousseau und Descartes, die Pariser Philosophen, hören. Und von so vielen anderen Parisern Dingen auch.
Ich freu mich!
Bissous